Black Boxes
Sie stehen überall herum: elektrische Geräte mit mehr oder weniger künstlicher Intelligenz. Natürlich ist da ein Computer, ein Handy, möglicherweise ein Sprachassistent von Google, Amazon oder Apple und vieles mehr. Manches sieht man auch nicht, da es sich als Plattform im Internet befindet. Black Boxes sind Geräte, die wir vielleicht noch teilweise bedienen können, aber bei denen die meisten von uns keine Ahnung haben, wie sie funktionieren und was sie wirklich alles können.
Dreizehn Künstlerinnen und Künstler haben sich in ihren Arbeiten damit beschäftigt und zeigen uns, was bei uns wirklich passiert, im Verborgenen der Black Boxes! Die Galerie Stadt Sindelfingen unter der neuen Leiterin Hannah Eckstein gibt diesen Künstlern eine Bühne und lässt sie die Black Boxes dekodieren.
So kann man beispielsweise die Installation „Since you were born“ von Evan Roth (* 1978 in Michigan, USA) sehen. Roth sammelte ab dem Tag der Geburt seiner Tochter für vier Monate alle Bilder, die bei ihm im Browser Cache gelandet sind. Über alle Flächen des Raumes bis zur Decke erstrecken sich die gesammelten Bilder und zeigen so ein sehr intimes Bild dessen, was Evan Roth in diesen vier für ihn sehr wichtigen Monaten beschäftigt hat.
Anonymous greift eine Geschichte von 2011 auf, bei der als Performance ein von einer Webcam gefilmter Postkartenständer in New York umgerissen wurde. Zahlreiche andere Menschen kündigten daraufhin ähnliche Aktionen an der gleichen Stelle an, setzten das aber nie in die Tat um. Das vergebliche Warten vor dem Monitor auf diese nie erfolgten Taten wurde zum Meme und gab der Arbeit den Titel „I’ll be There in 30 Minutes“.
Jonas Lund (* 1984 in Linköpping, Schweden) zeigt, was passieren kann, wenn die Nutzerfreundlichkeit digitaler Interfaces zu nutzerfreundlich ist. Seine Installation geht nämlich so sehr auf den Betrachter ein, dass sich die gezeigten Bilder dem Betrachter anpassen. Im Prinzip die museale Fortentwicklung der Bubble, in der sich viele Benutzer sozialer Medien befinden. Man bekommt nur das zu sehen, was man vermeintlich sehen möchte.
Die Videoinstallation „Deemona“ von Chino Moya dreht das Gruselrad am weitesten. Es zeigt des Künstlers Version dessen, was passieren könnte, wenn der Mensch die Kontrolle über sein Werk verliert, was passiert, wenn die KI schlauer ist als ihr Programmierer. Eine schauerliche Vorstellung, künstlerisch ins Bild gesetzt.
Diese und Arbeiten von neun weiteren Künstlern sind in Sindelfingen in der Premierenausstellung von Hannah Eckstein zu sehen.
Decoding the Black Box
bis zum 16.6.2024
Galerie Stadt Sindelfingen
Marktplatz 1
D-71063 Sindelfingen
Tel.: +49-7031-94325
Mo – Fr 10 – 18 Uhr, Sa + So 10 – 17 Uhr
Eintritt frei
www.galerie-sindelfingen.de
Text: Mathias Fritzsche
Bild: Galerie Stadt Sindelfingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 97