Das Kirchner Museum Davos ist zu Gast im KirchnerHaus Aschaffenburg

17.02. - 21.07.2024 | KirchnerHAUS Aschaffenburg

Ernst Ludwig Kirchner, Kuhherde mit einem Hirten, 1919/21

Zurück zu den Ursprüngen

„Noch heute sehe ich die rissige rote Backsteinmauer im Hofe meines Geburtshauses, das Haus mit dem Ziehtor und den preussischen Kugellöchern und den Garten mit Laube und Büschen“, schrieb Ernst Ludwig Kirchner 1919 über das großbürgerliche Wohnhaus in Aschaffenburg, in dem er 1880 zur Welt gekommen war und die ersten vier Jahre seiner Kindheit verbracht hatte.

2014 wurde in dem Gebäude das Kirchnerhaus Museum Aschaffenburg eröffnet. Es enthält eine kleine eigene Sammlung von Werken des Expressionisten und bietet Platz für zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen. Doch lange war vor Ort in Vergessenheit geraten, dass der berühmte Maler hier das Licht der Welt erblickt hatte.

Jetzt ist „Das Kirchner Museum Davos zu Gast im Geburtshaus des Künstlers“ – so der Titel einer Schau, in der etwa vierzig Zeichnungen, Aquarelle, Ölgemälde und nach Entwürfen Kirchners angefertigte Webarbeiten aus dem Bestand des Schweizer Hauses gezeigt werden. Das Künstlermuseum wurde 1982 in Davos gegründet und ist seit 1992 in einem bemerkenswerten Neubau verortet.

Die Werke der Schau decken wesentliche Schaffensphasen des Künstlers ab: Seine Anfänge in Dresden, wo er 1905 zu den Gründungsmitgliedern der „Brücke“ gehörte, wie seine Freunde ein antibürgerliches, von Reformideen durchdrungenes Dasein führte und zu seinem charakteristischen, aus dem Moment des Erlebens entwickelten Stil fand. Auch die Zeichnungen und Gemälde von den Moritzburger Seen, an deren Ufern sich Maler und Modelle nackt und frei bewegten, fallen in diese Zeit. Ähnlich locker ging es auf der Insel Fehmarn zu, die Kirchner dann in seinen Berliner Jahren mit seiner Freundin und späteren Lebensgefährtin, der Varieté-Tänzerin Erna Schilling, von 1912 bis 1914 besuchte.

Während des Ersten Weltkriegs, in dem er nach wenigen Monaten wegen physischer und psychischer Probleme beurlaubt und nicht mehr eingezogen wurde, erfolgten diverse Sanatoriumsaufenthalte. 1917 erholte sich Kirchner zum ersten Mal in Davos. Ein Jahr später siedelte er dorthin über und mietete sich in einem Bauernhof, dem „Haus in den Lärchen“ im Ortsteil Frauenkirch, ein.

Die Landschaft in den Schweizer Alpen bot Kirchner ganz neue Anreize, jetzt hielt er die Bergwelt samt ihrer Bewohner und ihrer Tierwelt fest, während sein Zustand sich langsam besserte. Der Künstler blieb. Er reiste nur noch selten nach Deutschland, wo er in den 1920er-Jahren gefeiert und in den 1930er-Jahren von den Nationalsozialisten verfemt wurde, und starb 1938 in Davos. Aus dieser Lebensphase ist jetzt das Aquarell einer „Berganemone“ von 1923 oder das „Stilleben mit Katze und Pfeife“ von 1932 zu sehen. Im Zentrum der Aschaffenburger Ausstellung steht jedoch der beeindruckende, von kräftigen Farben durchwirkte, meterlange Wandteppich von Lise Gujer, die in Davos zahlreiche Entwürfe Kirchners zu seinen Lebzeiten und posthum in textile Werke verwandelte.

Dr. Julia Behrens ist Kunstjournalistin und hat ihre Doktorarbeit über Künstlerateliers geschrieben.

Das Kirchner Museum Davos zu Gast im Geburtshaus des Künstlers
bis zum 21.7.2024
KirchnerHAUS Aschaffenburg
Ludwigstr. 19
D-63739 Aschaffenburg
Di – Sa 14 – 17 Uhr, So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 4 €
www.kirchnerhaus.com

Text: Dr. Julia Behrens
Bild: KirchnerHAUS Aschaffenburg
Erstveröffentlichung in kunst:art 97