Die Eleganz des Trivialen
Längst überfällig und nun als Personale an drei Orten konzipiert, widmet man sich dem außergewöhnlichen Schaffen der österreichischen Fotografin Elfriede Mejchar (1924–2020). Unter dem Titel „Poesie des Alltäglichen“ wählte die Kuratorin Katharina Ehrl im Museum der Moderne Salzburg Porträts von Mejchar, die nicht allein Personen zeigen, sondern auch ihre menschenleere, nahezu melancholische Hotelzimmer-Serie beinhaltet.
„Grenzgängerin der Fotografie“ tauften das Kuratoren-Team Alexandra Schantl und Edgar Lissel die Präsentation in der Landesgalerie Niederösterreich in Krems, die einen retrospektiven Einblick in das Leben und die Technik Mejchars von ihren sachlichen bis hin zu experimentellen Arbeiten gewährt.
Im Wien Museum präsentieren Anton Holzer und Frauke Kreutler unter dem Titel „Die Fotografin Elfriede Mejchar“ ebenfalls einen Querschnitt aus ihrem mannigfaltigen Kosmos.
Von 1952 bis 1984 war Mejchar für das Bundesdenkmalamt in Wien tätig. In den 1950er-Jahren beginnt sie parallel zu ihren beruflichen Arbeiten – die sie im Übrigen ausgerüstet mit einem Fahrrad und der bisweilen 40 Kilogramm schweren Ausrüstung erledigte – ihren eigenen künstlerischen Weg einzuschlagen. Sie fotografierte am Rande des Alltäglichen, an Peripherien und Industrielandschaften – oft in Serie. Arbeiten wie die „Simmeringer Heide“ haben nicht nur dokumentarischen Wert, sondern erinnern in ihrer Stringenz an die nüchterne, bisweilen prosaische Systematik der Bechers.
Für die Nachkriegsfotografie Mitte des 20. Jahrhunderts, die geprägt war von Fotografien der Magnum-Ära, waren ihre Sujets, die zwischen klassischer Fotografie, serieller Dokumentation und Konzeptkunst changieren, im europäischen Raum zunächst nicht der gängigen aparten Ästhetik zuzuschreiben.
Erst Mitte der 1970er-Jahre wurde vom österreichische Kunstbetrieb der Versuch unternommen, die angewandte Fotografie, welche die Sparten Werbung, Reportage und Mode inkludierte, in einen künstlerischen Kontext zu stellen. Zwei Bereiche, die bis dato völlig getrennt voneinander angesehen waren. Allmählich wurde das Alltägliche auch im deutschsprachigen Raum bildwürdig, wie es in den USA durch William Egglestone oder Stephen Shore bereits der Fall war.
In der Wiener Secession hatte Mejchar einstige Schlüsselerlebnisse: Fasziniert von all den Kunstwerken fernab des Mainstreams, weg vom Erhabenen, Konventionellen und Braven, fing sie anschließend an, die dort ausstellende, junge Künstlergeneration in ihren Ateliers zu porträtieren. Darunter Kurt Moldovan, Rudolf Hausner, Arnulf Rainer oder Friedensreich Hundertwasser. Später folgten Collagen der Künstlerin, die ganz anders – farbenfroh und mutig, nahezu provakant, bisweilen surrealistisch – anmuten.
Die überaus reiche und medial tiefgründige Bildsprache der oft als bescheiden beschriebenen Elfriede Mejchar allein hat internationales Renommee verdient. Am 24. Mai 2024 wäre Elfriede Mejchar hundert Jahre alt geworden – Anlass, ihr brillantes Œuvre zu würdigen.
Dr. Denise Susnja ist Kunsthistorikerin und promovierte über Polaroid-Fotografie.
Poesie des Alltäglichen. Fotografien von Elfriede Mejchar
26.4. – 15.9.2024
Museum der Moderne Salzburg
Altstadt (Rupertinum)
Wiener-Philharmoniker-Gasse 9
A-5020 Salzburg
Tel.: +43-662-842220
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 14 €, erm. 11 €
www.museumdermoderne.at
Elfriede Mejchar. Grenzgängerin der Fotografie
13.4.2024 – 16.2.2025
Landesgalerie Niederösterreich
Museumsplatz 1
A-3500 Krems an der Donau
Tel.: +43-2732-908010
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 10 €
www.lgnoe.at
Im Alleingang. Die Fotografin Elfriede Mejchar
18.4. – 1.9.2024
Wien Museum musa
Felderstr. 6-8
A-1010 Wien
Tel.: +43-1-505874785169
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.wienmuseum.at/musa
Text: Dr. Denise Susnja
Bild: Museum der Moderne Salzburg
Erstveröffentlichung in kunst:art 97