
Verwebte Kultur
Olaf Holzapfel erhält in diesem Jahr den vom Museum Haus Konstruktiv und der Zurich Insurance Company Ltd. vergebenen „Zurich Art Prize“. Dieser ehrt Künstlerinnen und Künstler, welche in der „internationalen Kunstszene bereits eine sichtbare Kraft entfaltet (…) und ein Weiterdenken des konstruktiv-konkreten und konzeptuellen Erbes in der Gegenwartskunst“ aufgezeigt haben. Beide Kriterien beschreiben den Künstler und sein Werk, als wären sie auf ihn persönlich zugeschnitten. Holzapfel stellt nicht nur international aus, sondern behandelt den kulturellen Dialog quasi als Sujet seiner Kunst. Er selbst beschreibt: „die Beschäftigung mit anderen Kulturen mündet in Ausstellungen mit unterschiedlichen Medien (Installation, Skulptur, Objektbilder, Film)“.
Auffallend genrereich tritt der Künstler in diesen Dialog auf Augenhöhe, in welchem Gleichstellung und gegenseitiges Einbringen Ziel des Werkprozesses ist. Die prozessoffene Schaffensweise erlaubt Unvorhersehbarem, Ungeplantem, Form anzunehmen, und bildet einen Möglichkeitsraum, welchen der Künstler bereit ist zu öffnen. In diesem findet der spannende Austausch zwischen Künstlerinnen und Künstlern als Träger und Botschafter ihrer Kulturen statt wie im textilen Web-Projekt mit der Wichí-Gemeinde aus dem Gran Chaco in Argentinien, welche ihr kulturelles Erbe über stets wiederkehrende Muster kommuniziert und tradiert.
Konstruktiv-konkret weitergedacht ist an der Werkreihe die besondere Vorgehensweise. Nach der vom Künstler angefertigten Vorlage einer Computerskizze, welche die typisch geometrische Form der blogartigen Stadtarchitektur Buenos Aires zeigt und nur schematisch in Licht und Schatten geteilt war, begann anhand von Beispielen und Musterbögen der gemeinsame Bildfindungsprozess mit den Wichí. Durch das Miteinander-am-Werk-Arbeiten weben sich neben kulturellen Identitäten und Wissensaustausch auch Fragen ein, etwa zum Verhältnis von Kultur und Natur. Zudem ermöglicht die Handarbeit laut Holzapfel auch einen Dialog zwischen dem Hersteller des Flechtwerkes und dem Betrachter, welcher bei maschineller Herstellung gänzlich abhandenkäme.
Das Aufheben der abgegrenzten, sich gegenüberstehenden Dualität hin zu einer Art fließenden Einheit ist ebenfalls Kernpunkt des künstlerischen Schaffens. Um Kontraste wie Stadt und Landschaft aufzuheben, verflicht Holzapfel über regionale Materialien wie Naturfasern nicht nur konzeptionell, sondern im wahrsten Sinne des Wortes den Widerspruch zwischen städtisch-lokalem Produkt und seiner tatsächlichen Herkunft – dem ländlichen Umfeld.
Eindrücklich kontrastreich ist auch der Effekt der eingesetzten Materialien. So wirken Holz-Installationen in einer Galerie oder einem Museumsgebäude auf den Betrachter durch ihre Natürlichkeit warm und verströmen eine Ruhe, welche nur die Natur im Menschen auslösen kann. Dieselben Werke, wie etwa die Reihe Fachwerk, wirken jedoch in der Natur ausgestellt, wie etwa in Patagonien, nahezu roh und hart auf den Betrachter im Kontext der sie umgebenden Natur.
Von Mai bis September präsentiert das Haus Konstruktiv einen spannenden Querschnitt durch das feinsinnige, tiefgehende und nun preisgekrönte Werk von Olaf Holzapfel.
Johanna Bayram lebt und arbeitet als Autorin in Köln und im Saarland.
Olaf Holzapfel
30.5. – 8.9.2024
Museum Haus Konstruktiv
Selnaustr. 25
CH-8001 Zürich
Tel.: +41-44-2177080
Di – So 11 – 17 Uhr, Mi 11 – 20 Uhr
Eintritt: 18 CHF, erm. 12 CHF
www.hauskonstruktiv.ch
Text: Johanna Bayram
Bild: Museum Haus Konstruktiv
Erstveröffentlichung in kunst:art 97