Die Kunstgeschichte der Frauen in Koblenz und Frankfurt

18.05. - 15.9.2024 | Mittelrhein-Museum Koblenz

Louise Schmidt, Sonnenanbeter, 1913 (Städel Museum)

Inspiration Inland, Inspiration Ausland

Wie lange sind Künstlerinnen eigentlich schon in Koblenz tätig? Diese Frage war der Ausgangspunkt für
eine Ausstellung, die hauptsächlich auf der Sammlung des Mittelrhein-Museums basiert und die
weibliche Seite der Kunst in Koblenz zeigt. Die Künstlerinnen in der Ausstellung sind entweder in
Koblenz geboren oder aufgewachsen oder haben dort längere Zeit gearbeitet. Die bekannteste
Künstlerin der Schau ist Gabriele Münter (1877–1962), deren künstlerische Anfänge in ihrer
Gymnasialzeit in Koblenz liegen, wo sie die Natur zeichnete und malte.
„Künstlerinnen. Leben. Werke. Koblenz 1850 – 2000“ zeigt eindrucksvoll den enormen Wandel in der
Koblenzer Kunstwelt in Bezug auf die Teilhabemöglichkeiten von Frauen. Diese Ausstellung ist ein
willkommener und tiefgründiger Blick auf die regionale Frauengeschichte. In der Schau gibt es einige
höchst interessante und überraschende Werke, die über den regionalen Schwerpunkt hinausgehen und

überall gezeigt werden könnten, wie zum Beispiel die Kreationen der Keramikerin Gisela Schmidt-
Reuther. Sie war viele Jahre lang auch in Koblenz als Kunstlehrerin tätig und hat mit ihrer Arbeit dazu beigetragen, dass in der Region eine lebendige Kunsttradition fortbesteht. Ihr keramisches Werk stellt auch eine Verbindung zur Salzkeramik-Tradition der Region und zum Westerwälder Steinzeug her, indem es dieser diametral entgegengesetzt ist. Für die Öffentlichkeit ungewöhnlich, schuf Schmidt-
Reuther l’art pour l’art (Kunst um der Kunst willen) mit Keramik.

Die Frauenkunstausstellung „Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“ im Städel Museum
stellt kühn fest: „Die Moderne ist ohne den Beitrag von Künstlerinnen unvorstellbar“. Anstatt regionale
Entwicklungen zu betrachten, stellt die Schau, die das Ergebnis eines langjährigen Forschungsprojekts
ist, die Verbindung zwischen Frankfurt und Paris im Fin de Siècle her. Künstlerinnen wie Erna Auerbach,
Eugenie Bandell, Mathilde Battenberg, Marie Bertuch, Ida Gerhardi, Dora Hitz, Annie Stebler-Hopf,
Elizabeth Nourse und Louise Schmidt, die über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt waren,
werden hier vorgestellt. Sie bauten internationale Netzwerke auf und unterstützten sich gegenseitig. Als
einflussreiche Lehrerinnen und Kunstvermittlerinnen prägten einige von ihnen auch die Geschichte des
Städel Museums und der Städelschule.


Die Ausstellung folgt den Bemühungen der Pionierinnen im Paris der 1880er-Jahre über die ersten
Bildhauerinnen an der Städelschule um 1900 bis hin zur selbstbestimmten jungen Generation von
Künstlerinnen im „Neuen Frankfurt“ der 1920er- und 30er-Jahre. Die sehr unterschiedlichen Werke
zeigen die Vielfalt der künstlerischen Ansätze von Frauen und spiegeln gleichzeitig die gesellschaftlichen
und ästhetischen Umwälzungen der Zeit wider.


Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 bedeutete das Ende der neuen
Frankfurter Kunstgewerbeschule. Unter dem NS-Regime wurden sowohl die emanzipierte „Neue Frau“
der 1920er-Jahre als auch die unabhängige Künstlerin der Moderne zu Feinden erklärt. Hier schließt die
Ausstellung ab. In Koblenz wird der Wendepunkt der Zulassung von Frauen zum Studium an den
staatlichen Kunstakademien in der Weimarer Republik diskutiert. Auch die Rolle der Künstlerinnen in der
NS-Zeit zwischen Exil und Konformismus wird anhand von Beispielen beleuchtet. Doch erst nach 1945
begannen akademisch ausgebildete Künstlerinnen in Koblenz und im übrigen Deutschland aufzutreten.
Wer waren die ersten Künstlerinnen? Wie wurden sie ausgebildet? Unter welchen Bedingungen
arbeiteten sie? Und wie reagierte die Öffentlichkeit auf sie? Diesen Fragen gehen die beiden
Ausstellungen nach, und ein Besuch beider Ausstellungen vermittelt ein sehr solides Verständnis der
Bedeutung von Frauen für die Entwicklung und Erhaltung unserer geschätzten humanistischen
europäischen Geschmäcker, Werte und Ideale.
Dr. Renée Gadsden wird im Sommer Vorträge halten, an Podiumsdiskussionen in Klagenfurt, Berlin,
München und Salzburg teilnehmen und außerdem ihr nächstes Buch fertigstellen.

Künstlerinnen. Leben. Werke. Koblenz 1850 – 2000
bis zum 15.9.2024
Mittelrhein-Museum Koblenz
Zentralplatz 1
D-56068 Koblenz
Tel.: +49-261-1292520
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.mittelrhein-museum.de

Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900
10.7. – 27.10.2024
Städel Museum
Schaumainkai 63
D-60596 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-605098200
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 16 €, erm. 14 €
www.staedelmuseum.de

Text: Dr. Renée Gadsden
Bild: Mittelrhein-Museum Koblenz
Erstveröffentlichung in kunst:art 98