Eine Erzählung weben
Sie gehört zu den großen alten Damen der modernen Kunst: die heute 90-jährige Sheila Hicks. Der international renommierten Künstlerin, in deren Leben und Werk sich vielfältige Linien schneiden, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, richten zwei deutsche Museen eine umfassend angelegte Doppelausstellung aus. Dabei setzen die Kunsthalle Düsseldorf und das Josef Albers Museum Quadrat Bottrop unterschiedliche Akzente, die doch einen gemeinsamen Nenner haben, nämlich die Frage: „Was kann man mit einem Faden machen?“ Eine ganze Menge, so scheint es! Den Möglichkeiten im Spiel zwischen textilem Material, seiner Farbigkeit und dem Raum, in dem alles passiert, ist Hicks unermüdlich auf der Spur.
Geboren 1934 in einer Kleinstadt in Nebraska, studierte sie in den 50ern an der angesehenen Yale School of Art in Connecticut. Einer ihrer Lehrer dort, der ihr Werk ganz maßgeblich prägen sollte, war Josef Albers. Der entwickelte, 1933 vor den Nazis in die USA geflohen, dort die Ideen des Dessauer Bauhauses weiter. Farben, Formen, Linien, Flächen und ihre räumlichen Wechselwirkungen wurden untersucht – und die Rolle der textilen Werkstoffe im Konzert der modernen Kunst. Wesentliche Impulse hier kamen von Anni Albers, die Hicks’ Abschlussarbeit zu prä-inkaischen Textilien betreute. Anschließend verbrachte die Künstlerin einige Jahre in Mexiko, bevor sie sich 1964 dauerhaft in Paris niederließ. Ihr über bald 70 Jahre entwickeltes Werk weist winzige Arbeiten auf oder gewaltig große, weich schmeichelnde oder ziemlich widerborstige. Sheila Hicks erweiterte das anfänglich noch traditionelle textile Verfahren flugs auf eingeknüpfte Steine, Schieferstücke, bis hin zu Metallteilen, Hemdkragen oder trockenen Nudeln (und, wenn die Geschichte das recht überliefert, zu von Karmeliternonnen eigenhändig gestopften Strümpfen…) Hicks’ Werke sind heute weltweit in den wichtigsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst zu finden.
Das seinerzeit noch von ihrem alten Lehrer Albers (er war von dort gebürtig) in Bottrop initiierte Museum Quadrat zeigt (in seinem neuen – inzwischen zweiten – Anbau) auf rund 700 Quadratmetern bislang nie gezeigte frühe Gemälde aus Hicks’ Studienzeit bei Albers sowie eine reiche Auswahl von frühen Textilarbeiten, die die kreative Auseinandersetzung der Künstlerin mit indigenen Techniken belegen. Das Werk sieht man in der Folge sich auffalten in Entwürfen für großformatige, architekturbezogene Arbeiten und bei den neueren, sehr farbintensiven Wandobjekten, Skulpturen und installativen Werken. Ganz aktuell wird es dann in der Düsseldorfer Kunsthalle, wo Hicks’ ortsbezogene Installationen und frische Formexperimente ihre Kraft messen können mit der ziemlich wuchtigen Architektur der Ausstellungsräume. Insgesamt rund 140 Werke aus allen Schaffensperioden sind in dieser Soloschau zu sehen, nach vielen internationalen Auftritten (unter anderem in Frankreich, Schweiz, Österreich, den USA) der ersten umfassenden Präsentation der Künstlerin in Deutschland.
Dieter Begemann lebt und arbeitet in Norddeutschland.
Sheila Hicks
12.10.2024 – 23.2.2025
Kunsthalle Düsseldorf
Grabbeplatz 4
D-40213 Düsseldorf
Tel.: +49-211-54237725
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 3 €
www.kunsthalle-duesseldorf.de
Sheila Hicks
12.10.2024 – 23.2.2025
Josef Albers Museum
Museumszentrum Quadrat
Anni-Albers-Platz 1
D-46236 Bottrop
Tel.: +49-2041-372030
Di – Sa 11 – 17 Uhr, Sa 10 – 17 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 4 €
quadrat.bottrop.de
Text: Dieter Begemann
Erstveröffentlichung in kunst:art 99