
Geschichten aus Stoff
Die Kunst von Małgorzata Mirga-Tas ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Das liegt zum einen an der beachtlichen Größe der raumfüllenden und aus Textilien gefertigten Arbeiten, zum anderen aber auch an der Vielschichtigkeit des dargestellten Inhalts, der sich auf die Geschichte und Kultur der Roma bezieht, aus der die Künstlerin selbst stammt. Ihre aus zwölf großformatigen Textilgemälden bestehende Arbeit “Re-enchanting the World“ („Die Welt wieder verzaubernd“) war im Jahr 2022 auf der 59. Biennale von Venedig im polnischen Pavillon ein vielbeachtetes Highlight, das Mirga-Tas zum internationalen Durchbruch verhalf.
Małgorzata Mirga-Tas stammt aus dem polnischen Czarna Góra, einem Dorf am Fuße der Tatra, in der auch viele ihrer Familienmitglieder wohnen und wohin es sie immer wieder zieht. Mit ihren einzigartigen Textilgemälden zeichnet sie ein anderes, positiveres Bild von der Gemeinschaft der Roma, als es in der von Stereotypen und Stigmata vorherrschenden europäischen Kunstgeschichte bislang üblich war. Ihre Motive stammen oftmals aus ihrem direkten Umfeld, zeigen Personen, die ihr nahestehen oder die sie auf Grund ihrer Persönlichkeit in ihre Kunstwerke einbringen möchte. Dazu zählen zwei ihrer Onkel, die als erste Mitglieder der Roma-Gemeinde Polens eine Universität besuchten und heute als Dichter und Geograf tätig sind.
In den insgesamt vier Räumen der Ausstellung „Eine alternative Geschichte“ werden außer den bereits erwähnten Textilbildern auch Arbeiten aus der Werkgruppe der „Herstories“ zu sehen sein. Im Fokus stehen starke weibliche Protagonistinnen, die sich aus den patriarchalen Strukturen der Roma-Gemeinschaft gelöst haben und ihren Alltag selbstbestimmt gestalten. Für diese ausdrucksstarken und detailreichen Arbeiten suchte die Künstlerin gezielt nach Persönlichkeiten, die sie namentlich im Arbeitstitel erwähnt. Authentisch werden die Szenen durch echte Spielkarten, Perlen, Tücher und Schmuckstücke, die die an der Kunstakademie in Krakau ausgebildete Mirga-Tas in die Werke einarbeitet.
Die bewegende animierte Filmarbeit „Noncia“, die erstmalig in einem Ausstellungskontext gezeigt wird, erinnert an den Mut und die Menschlichkeit der jungen polnischen Romni Alfreda Noncia Markowska, die in den 1940er-Jahren der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entkam und während des Zweiten Weltkrieges etwa fünfzig Kinder gerettet hat, indem sie diese in ihr Versteck im Wald aufnahm und dort versorgte.
Małgorzata Mirga-Tas. Eine alternative Geschichte
8.3. – 15.6.2025
Kunstmuseum Luzern
Europaplatz 1
CH-6002 Luzern
Tel.: +41-41-2267800
Di – So 11 – 18 Uhr, Mi 11 – 19 Uhr
Eintritt: 15 CHF, erm. 6 CHF
www.kunstmuseumluzern.ch