Das museum FLUXUS+ zeigt Werke von Mary Bauermeister

08.09.2024 - 26.1.2025 | museum FLUXUS+

Mary Bauermeister, Glaslinsenkasten, 1974

Die Türöffnerin

Mary Bauermeister ist eine der vielen Künstlerinnen, denen (unnötigerweise?) immer ein Etikett angeheftet wird. Wobei sich bei Bauermeister bereits bei der nachfolgenden Zuschreibung die Geister scheiden: War sie nun die Mutter oder die Großmutter der Fluxusbewegung? Denn noch im hohen Alter wurde die Künstlerin nicht müde, die Möglichkeiten der Kunst auszutarieren. Auch scheint ihre Lebensführung manchmal stärker im Fokus der Kunstgeschichte zu stehen als die Werke: Mary Bauermeister war bis zu ihrem Lebensende sprichwörtliche Türöffnerin für die Gedankenspielwelten vieler anderer Künstler – und das ganz selbstbestimmt. Sie war zudem Muse, Liebespartnerin und Kunstpartnerin des Komponisten Karlheinz Stockhausen.

1956 bezieht sie das legendäre Atelier im Dachboden des Kölner Hauses in der Lintgasse. Ob John Cage oder Otto Piene, Nam June Paik oder Karlheinz Stockhausen – sie alle lasen, spielten, sägten, schrien und zeigten, was das Zeug hielt. Bei Mary Bauermeister wurde es richtig fetzig. Eins hatten die Künstler deshalb alle gemeinsam: Sie wollten weg von den Traditionen, dem Muff der 1960er-Jahre und damit weg vom noch unter der Haut der Gesellschaft wabernden Nationalsozialismus. Dass Mary Bauermeister sich als eine der wenigen weiblichen Künstler in dieser Zeit auch selbst einen Namen machte, ist dabei keine Fußnote der Kunstgeschichte. Sie war Vorreiterin, Förderin und bis zuletzt scharfsinnige Beobachterin der Kunstwelt, mit deren Kapitalisierungsdruck sie haderte.

Anlässlich des 90. Geburtstags der 2023 verstorbenen Mary Bauermeister stellt das museum FLUXUS+ in Potsdam die Werke der Künstlerin in den Mittelpunkt einer Ausstellung: Im Bestand des Museums befinden sich rund sechzig Arbeiten der verschiedenen Werkgruppen. Darunter sind beispielsweise die berühmten Linsenkästen, in denen Bauermeister das multiperspektivische Denken und die Naturbeobachtung zusammenbringt und mit denen sie in den 1960er-Jahren auch in der New Yorker Kunstszene zur Ikone avancierte.

„Die Jacke der Kunst weiter dehnen“, diesen formulierten Anspruch realisierte sie jenseits geltender Konventionen. Oft verschmelzen in ihren Assemblagen Gegenstände und Instrumente zur Bildfindung mit den Bildern selbst. Serielle optische Kompositionen, Homologien zu Stockhausens serieller Kompositionstechnik, erscheinen dabei in immer neuen Formen. Optische Linsen etwa erweitern den Bildraum hin zum Außen und schließlich in die Natur hinein. Da sind aber auch die Strohhalmbilder, die in den Raum skulptural hineinragen, und die Prismen. Da gibt es die „Pünktchen“-Bilder oder Steinbilder. Je nach Betrachter-Standpunkt offenbart sich veränderliche Wirklichkeit und eine andere Sicht – oft auch durch zeichnerische Qualität.

Das zentrale in Potsdam nun zu sehende Bild ist eine Kaseintempera-Arbeit auf Leinwand. Sie entstand als Gemeinschaftsarbeit von Mary Bauermeister und Karlheinz Stockhausen während der Aufführung des Musiktheaterstücks „Originale“ 1961, jenem legendären dissonanten Stück, das das traditionelle Publikum verstörte. Eine Rebellin im Leben, in der Kunst, war auch Mary Bauermeister. Die Deutschlandfahne, befand sie, hätte auf den Kopf gestellt werden müssen. Unten schwarz und oben gelb. Also kreierte sie selbst eine solche Fahne. Sie hängt als Schenkung der Künstlerin im Eingangsbereich des museums Fluxus+.

Die Journalistin Karolina Wróbel ist sowohl in der Hochkultur, als auch in der Berliner Lokalszene zu Hause.

Mary Bauermeister. Musik in der Malerei
bis zum 26.1.2025
museum FLUXUS+
Schiffbauergasse 4f
D-14467 Potsdam
Tel.: +49-331-60108933
Mi – So 13 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 3 – 5 €
www.fluxus-plus.de

Text: Karolina Wróbel
Bild: museum FLUXUS+
Erstveröffentlichung in kunst:art 101