Liliane Lijn im Wiener Mumok

15.11.2024 – 4.5.2025 | Mumok Museum Moderner Kunst

Liliane Lijn, Get Rid of Government Time, 1962

Pionierin der Kunst

Im Zen-Buddhismus bekommen junge Mönche ein unlösbares, paradoxes Rätsel, ein Koan, das sie zum Nachdenken anregen soll, um über sich selbst hinauszuwachsen. Ganz im Sinne dieser Idee hat die 1939 in New York als Tochter jüdischer Emigranten geborene Künstlerin Liliane Lijn ein singuläres Werk geschaffen, mit dem sie die Grenzen der Kunst erweitert hat. Sie ist eine Pionierin der kinetischen Kunst, hat als Feministin gegen die Fokussierung auf den weiblichen Körper gekämpft, neue Materialien erforscht und innovative Technologien angewendet.

Die Beschäftigung mit der fernöstlichen Gedankenwelt hat Lijn in einige ihrer Arbeiten einfließen lassen. In Anlehnung an die unlösbaren buddhistischen Rätsel hat die Künstlerin eigene, materielle „Koans“ geschaffen: weiße, sich drehende Kegel, die durch farbige Leuchtbänder in Form von Ellipsen optische Täuschungen verursachen. Das Zusammenspiel von Licht und Bewegung zieht sich durch das Werk der Künstlerin, die nach eigener Aussage „das Unsichtbare sichtbar machen möchte“.

So wie in der 3 Meter großen Skulptur „Woman of War“ aus dem Jahr 1986. Die imposante Erscheinung wird in ihrer Mitte aus aufrecht stehenden Stahlplatten getragen, kleinere, runde Metallringe, die mit gefährlich anmutenden roten Streifen bemalt sind, befinden sich im Bereich des Gesichts. Es kommt vor, dass die bedrohlich wirkende Figur ihre Arme auseinanderreißt und wie zur Warnung die im Inneren befindlichen giftig gelben Borsten zum Vorschein kommen. Stark und voller Widerstandskraft kommt hier ein verändertes Frauenbild zum Tragen, das die feministische Stärke und Wehrhaftigkeit in den
Mittelpunkt stellt.

„Arise Alive“ ist die bislang größte Einzelausstellung von Liliane Lijn in Österreich, in der die Künstlerin nun eine Auswahl ihrer Skulpturen, Installationen, Collagen, Malereien, Videos und Performances präsentiert. Darunter befinden sich auch Werke aus den Anfangsjahren kinetischer Kunst wie die innovative Arbeit „Get Rid of Government Time“ aus dem Jahr 1962. Auf einer rotierenden Metallrolle hat Lijn ein Gedicht von Nazil Nour angebracht, dessen Text je nach Geschwindigkeit des in der Rolle befindlichen Motors die Lesbarkeit beeinflusst – manchmal sind es einzelne Wörter, die noch vom Auge erfasst werden können, mal verschwimmen die Buchstaben auf Grund der Geschwindigkeit zu Linien. Kinetische Kunst ist für Liliane Lijn Zeit ihres Lebens ein wesentlicher Bestandteil ihres künstlerischen Ausdrucks geblieben, wenn auch in veränderter Form. Man ist gespannt, was als Nächstes folgt!

Liliane Lijn. Arise Alive
15.11.2024 – 4.5.2025
mumok museum moderner kunst
Museumsplatz 1
A-1070 Wien
Tel.: +43-1-525000
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 17 €, erm. 14 €
www.mumok.at

Text: Karin Gerwens
Bild: mumok museum moderner kunst
Erstveröffentlichung in kunst:art 100