Das symbolistische Frühwerk von Fritz Steisslinger in Böblingen

15.12.2024 – 9.3.2025 I Städtische Galerie Böblingen

Allegorien zwischen Leben und Tod

Fritz Steisslinger, Gebeugter Christus, 1914

Fritz Steisslinger (1981–1957) gehört zu den profiliertesten Malern seiner Generation. Neben Porträts, Figurenbildern, Stillleben widmete sich der Böblinger Maler in allen Schaffensphasen Landschaften und Städtebildern. Hier äußert sich jener „Willen zur malerischen Malerei“, wie ihn der Kunsthistoriker Rainer Zimmermann als eine der prägendsten Tendenzen der Malerei der 1920er-Jahre beschrieben hat. Diese malerischen Facetten Steisslingers sind gemeinhin bekannt, sie sind auch überzeugend in der Steisslinger gewidmeten dauerhaften Kabinettausstellung in der Städtischen Galerie Böblingen dokumentiert. Eine weniger bekannte, nicht unwesentliche Facette aus seinem Gesamtwerk bereichert nun in einer Sonderausstellung das öffentliche Bild Steisslingers.

„Passend zum aktuellen Zeitgeschehen“ beschreibt Galerieleiterin Corinna Steimel mit ihrer Auswahl treffend einen nicht so leicht konsumierbaren Aspekt aus dem überaus vielfältigen Gesamtwerk. Zum ersten Mal präsentiert die Ausstellung die überwiegend großformatigen Gemälde aus der frühen Phase der 1910er- und beginnenden 1920er-Jahre. Der Blick richtet sich auf Steisslingers symbolistisches Frühwerk. Nach einer Lehre als Metallgraveur bei der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) beginnt Steisslinger eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule München und wechselt bald an die Münchener Kunstakademie in die Klassen von Fritz von Uhde und Franz von Stuck. Hier widmet sich der junge Künstler den entsprechenden Themen, die für den Symbolismus, wie ihn Stuck vertrat, exemplarisch waren.

Die Sujets wie „Jüngling mit Totenschädel“, „Tod mit Narrenkappe und Sanduhr“, „Jüngling mit Schlange und Buch“ oder „Überfahrt über den Styx“ scheinen bekannt, handeln sie doch von den Mythologien und Allegorien, die im Symbolismus hinter der erfahrbaren Realität und den wissenschaftlichen Erkenntnissen eine andere, eine endgültige Wahrheit zu finden versuchen. Letztlich geht es im Frühwerk Steisslingers in Gemälden wie „Greis und Kind“ oder „Greis, Akt, Hund“ um existentielle Themen, das Diptychon „Mensch und Tod“ bringt das auf den Punkt. Die Spannung zwischen Leben und Tod findet ihre Entsprechung in der Malerei, in der Steisslinger von seiner Studienzeit in Rom und in Venedig inspiriert wurde.

In Folge setzt er sich intensiv mit den überlieferten Themen der christlichen Malerei auseinander. Steisslinger hat ein neues Kapitel aufgeschlagen, das Lebensdrama geht weiter im Kontext der biblischen Ikonografie. Expressionistisch mit Tendenzen zur Neusachlichkeit erscheint der giftgrüne „Hiob“ inmitten seiner Freunde, wandelt „der gebeugte Christus mit Dornenkranz“ zur „Kreuzigung“, um schließlich als Protagonist im Gemälde „Beweinung“ zu enden. Und immer wieder erscheint der mahnende „Prophet“. Biblisches Personal als visionäre Boten am Vorabend des ersten Weltkriegs. Zeiten ändern sich, der Krieg ist vorüber, das Leben geht weiter. Aus der „heiligen Familie“ wird 1920 das Selbstporträt der eigenen Familie mit dem Gitarre spielenden Künstler und seiner den erstgeborenen Sohn stillenden Frau Elisabeth.

Stefan Simon weiß als Kunsthistoriker, dass es auch immer auf die Perspektive ankommt.

Das symbolistische Frühwerk von Fritz Steisslinger
15.12.2024 – 9.3.2025
Städtische Galerie Böblingen
Pfarrgasse 2
D-71032 Böblingen
Tel.: +49-7031-6691705
Mi – Fr 15 – 18 Uhr, Sa 13 – 18 Uhr, So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 2,50 €, erm. frei
www.staedtischegalerie.boeblingen.de

Text: Stefan Simon
Bild: Städtische Galerie Böblingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 101