
Die Stille der Weite
In der Ruhe liegt die Kraft, ein Spruch, der vielleicht gerade in diesen chaotischen Zeiten seine Richtigkeit und Wichtigkeit erfährt. Wer eine solche Ruhe auch in der Kunst gegenwärtig erfahren, anschauen und aus ihr die Kraft schöpfen will, der sollte sich aufmachen ins „arp museum Bahnhof Rolandseck“, in dessen Räumen eine eindringliche und einfühlsame Ausstellung mit Fotoarbeiten und Videos des aus Düsseldorf stammenden, aber international bedeutenden Fotokünstlers Axel Hütte gezeigt wird.
Großformatige Landschaftsaufnahmen bilden den Schwerpunkt dieser Inszenierung, von Landschaften, die den vielreisenden Künstler in ihren Bann zogen und immer wieder ziehen. Natur, Weite und Perspektiven, die ganz ohne Lebewesen, seien es Menschen oder Tiere, sich dem Betrachter öffnen und ihn zum Erforschen einladen.
Oft und fast markenzeichnend blickt man bei Axel Hütte in eine nebelverhangene Landschaft, sei es der Rheingau-Nebel an einem Feldrain oder die sich hinter Schwaden versteckenden Zweitausender am Furkapass in den Schweizer Alpen. Für seine Aufnahmen lässt sich Hütte Zeit, viel Zeit, denn er hat an sich selbst erfahren, wie Landschaftskulisse sich verändert, je nach dem eigenen Blick und der Wahrnehmung des Schauspiels der natürlichen Ereignisse, wie Regen, Sonne oder Nebel. Für die Furkapass-Fotos hat er fünf Jahre hintereinander die Strecke bereist, um das Faszinosum der Berglandschaft dort ganz zu erfassen und den Moment der Fotografie festzuhalten.
Nicht allzu weit von der Schweiz kam der Reisende Axel Hütte zum „Glacier des Bossons“, einem Gletscher im Arvetal im französischen Département Haute-Savoie nahe Chamonix. Seine nun ebenfalls in Rolandseck zu sehende Arbeit dieses Gletschers weckt im Betrachter unwillkürlich eine Anmutung an Caspar David Friedrich, wenn der Mensch vor dem Werk der Natur in Staunen verfällt und einfach stehen bleiben muss, um sich selbst in dieser Kraft zu verlieren. Und tatsächlich erscheinen viele seiner Fotowerke wie gemalt, malerisch oder auch wie gezeichnet.
Dies gilt auch für seine Pflanzenaufnahmen, die zum Teil sogar wie Aufnahmen aus einem Kräuterbuch oder einem Herbarium erscheinen. Tatsächlich hat der Fotograf diese Blumen meist zum Trocknen auf den Boden seiner Berliner Wohnung ausgebreitet und die getrockneten Pflanzen dann mit einer Digitalkamera in sechzehn Aufnahmen präzise übereinandergelegt.
Übereinandergelegte Filmsequenzen zeigen sich auch in einer Reihe von Hüttes Videoarbeiten, von denen im „arp museum“ vier zusätzlich präsentiert werden. Der Künstler hat dabei zum Teil auch Zeitraffertechnik eingesetzt, manchmal läuft das Bild im Bild rückwärts und schafft so eine kontemplative Atmosphäre.
Insgesamt vereint die Schau 36 Werke aus den Jahren 1997 bis 2024, darunter übrigens auch architektonische Fotografie wie die „Ise (Bridge) in Japan, die unzweifelhaft erkennen lässt, dass der Künstler Hütte ein ehemaliger Schüler von Bernd und Hilla Becher ist und damit ein wichtiger Vertreter der Düsseldorfer Fotoschule.
Bence Fritzsche ist Chefredakteur von der atelier. Der Zeitschrift für Künstlerinnen und Künstler.
Axel Hütte. Stille Weiten
9.2. – 15.6.2025
Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
D-53424 Remagen
Tel.: +49-2228-942516
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 9 €
www.arpmuseum.org