
Kontemplative Reise durch Raum und Zeit
Phänomene von Zeit und Raum, unbestritten miteinander verwoben und doch gänzlich divergent, eröffnen nur gemeinsam das Erlebbare. Cees Nooteboom sinnierte einst über “verstrichene Zeit, bewahrte Zeit, psychologische Zeit, philosophische Zeit, technische Zeit.” Wie aber spürt man die Echos der Vergangenheit auf, macht Fragmente sichtbar und verwebt Historie mit Jetztzeit? Oder salopp: Wie bringt man den Bestand der eigenen Institution mit dem institutionellen Gebäude unter dem Aspekt der Zeitlichkeit zusammen? Wie ein Ort von besonderer Bedeutung mit einer mannigfaltigen, hochkarätigen Sammlung in Symbiose tritt, zeigt nun die von Liberty Adrien und Carina Bukuts kuratierte Ausstellung „It’s Just a Matter of Time“.
Im 18. Jahrhundert zunächst als zwei voneinander getrennte Bauten konzipiert, wurde das PalaisPopulaire vom Architekten Friedrich Wilhelm Diterichs durch einen zentralen Anbau zu einem Gebäude vereint, das von da an politische, ideologische wie kulturelle Stadien durchlebte: als königliche Residenz etwa von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, als Schinkel Museum oder als Operncafé mit Tanzveranstaltungen, bis es nach langem Leerstand 2018 zum Ort für zeitgenössische Kunst wurde.
Analog zum architektonischen Wandel des Ortes, betrachtet man auch die Kunstsammlung als einen Ort, der bewahrt, dokumentiert und Zeugnis ablegt. Nun werden von 1946 bis heute entstandene Werke präsentiert. Sie enthalten nicht nur eigene historische Bezüge, sondern dienen auch dem Versuch, die Geschichte des Aufstellungsortes mit jener der Stadt zu verweben.
Als frühes Beispiel aus dieser Zeitspanne bietet sich Max Beckmanns Lithografie „König und Demagoge“ von 1946 aus der firmeneigenen Sammlung an. Ebenfalls aus der Deutsche Bank Collection zu sehen sind etwa Rosemarie Trockels sogenannter „Schizopullover“ von 1988, Cornelia Schleimes „Auf weitere gute Zusammenarbeit“ (1993) oder „Several birds fly away when they understand it“ (25) von Petrit Halilaj aus dem Jahr 2013. Die 1976 in Mumbai geborene Künstlerin Shilpa Gupta, welche den diesjährigen Possehl-Preis für Internationale Kunst erhalten hat, ist mit ihrer Arbeit „For, In Your Tongue, I Cannot Fit“ von 2023 vertreten. Kaum ein anderer Gegenstand wird eher mit Zeit assoziiert als jener der Uhr: Gleich zwei von ihnen stellt James Gregory Atkinson unter dem Titel „CET CST“ (2021/22) aus und schlägt somit auf plakativ-ironische Weise den inhaltlichen Bogen zum Ausstellungstitel.
Weitere Leihgaben wie jene der Pariser Galerie Dvir mit „Abonné absent“ (2006) von Marianne Berenhaut und „Screen Shot M.M.“ (2015) von Latifa Echakhch oder der New Yorker Matthew Marks Gallery mit „Attachment V, Flexible with Quick Release“ (2024) von Julia Phillips runden die künstlerische, medial vielfältige Zeitreise ab. Die verschiedenen Überschneidungen von Zeit eröffnen ein temporales Spannungsfeld von der Moderne bis in die Gegenwart und führen assoziativ wie spielerisch die Kunst und den Ort für eine ästhetische Praxis – als Form des Gewahrseins und der Begegnung – zusammen.
Dr. Denise Susnja hat über künstlerische Polaroid-Fotografie dissertiert.
It’s Just a Matter of Time
10.4. – 18.8.2025
PalaisPopulaire by Deutsche Bank
Unter den Linden 5
D-10117 Berlin
Tel.: +49-30-2020930
Mo + Mi – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 19 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 3 €
palaispopulaire.db.com
Text: Dr. Denise Susnja
Bild: PalaisPopulaire by Deutsche Bank
Erstveröffentlichung in kunst:art 103