Herbert Oehms Gestaltungsprinzipien in der Kunsthalle Weishaupt

6.4. – 12.10.2025 | Kunsthalle Weishaupt


Herbert Oehm, Goldraster, 1976

Farbe, Sand, Gold und Toilettenpapier

Ob er nun mit Sand, Blattgold, Toilettenpapier oder mit Farbe auf Leinwand arbeitet, bei Herbert Oehms Schaffensprinzip trifft Zufall stets auf geometrische Strenge und umgekehrt. Die Ulmer Kunsthalle Weishaupt präsentiert anlässlich seines 90. Geburtstages in seiner Heimatstadt einen Querschnitt durch das Werk des ZERO-Künstlers, der sich bereits mit Anfang 40 von der künstlerischen Bühne verabschiedet hat und sich vollständig zurückgezogen hat. Der abwechslungsreiche Rundgang durch die Kunsthalle zeigt: Der ehemalige Schüler der renommierten Hochschule für Gestaltung in Ulm liebt das Spiel mit Gegensätzen, mal offensichtlich, mal ganz subtil erkennbar. So gilt es in der Ausstellung wieder einmal ganz genau hinzuschauen, wie beispielsweise bei dem 1,5 mal 1,5 Meter großen Bild mit den zahlreichen goldfarbenen Quadraten auf purpurrotem Grund.

Herbert Oehm legt bei der Arbeit „Goldraster“ (1976) ein ganz strenges geometrisches Raster an, das aber tatsächlich durch das permanente Flattern und Flirren der ausgefransten, glänzenden Blattgold-Blättchen immer zufällig erscheinen mag. Vom edlen, teuren Material zum profanen Gebrauchspapier: Das streng komponierte Ordnungsprinzip bleibt gleich, Herbert Oehm macht auch großflächige, exakt komponierte Raster aus Toilettenpapier. Das Zufallsprinzip spielt hier der Faktor Zeit: Die Ecken der Papierblätter rollen sich bei der ausgestellten Arbeit „Tissues Hakle Super Vlaush“ (1972) nach Jahrzehnten bereits vergilbt ein.

Wie sich die Ecken mit der Zeit weiter falten werden, ist nicht genau vorhersehbar. Das entspricht durchaus auch den Überlegungen der Künstlergruppe ZERO, die nach dem zweiten Weltkrieg die Kunst neu beginnen wollte, bei Null anfangen wollte, Licht, Bewegung und den zeitlichen Faktor mit einbezogen hat. Herbert Oehm, der auch an der Kunstakademie in München studierte, und somit neben der visuellen Kommunikation der Ulmer Lehre auch das freischaffend Künstlerische der Münchner Zeit in seinem Werk vereint, entwickelt sich zu einem wichtigen Vertreter der damaligen Avantgarde der Konkreten Malerei. Der Künstler zieht in seinem kurzen, aber intensiven Kunstschaffen akribisch Linien, schafft präzise angelegte Ordnungsrahmen, lotet die Dinge exakt aus, aber lässt zugleich an anderer Stelle den Materialien am liebsten freien Lauf, wenn er etwa bei dem Bild „Sandregen“ (1974) einen Sandstrahl sich fontänenartig über die Schräge der Leinwand ausbreiten lässt.

Herbert Oehm schafft mit den unterschiedlichsten Mitteln faszinierende Oberflächenereignisse. Dazu gehören auch die bereits Anfang der 1960er-Jahre entstandenen „Tropfenkreise“, amorphe Tropfenstrukturen aus Polyesterharz. Wiederzuentdecken gilt es in Ulm schließlich auch Oehms großformatige präzise arrangierte „Swingbilder“ mit den wellenartigen bunten Farbläufen. Additive Farbabstufungen, ein ganz gerader Pinselstrich, Signalfarben großflächig angeordnet. Hier erkennt man den ausgebildeten Plakatmaler mit seinem durch die Ulmer Hochschule für Gestaltung vermittelten Ansatz, durch visuelle Mittel Information zu kommunizieren.

Stefan Simon weiß als Kunsthistoriker, dass es immer auch auf die Perspektive ankommt.

Herbert Oehm. Entropie und Ordnung
6.4. – 12.10.2025
Kunsthalle Weishaupt
Hans-und-Sophie-Scholl-Platz 1
D-89073 Ulm
Tel.: +49-731-1614360
Di – So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.kunsthalle-weishaupt.de

Text: Stefan Simon
Bild: Kunsthalle Weishaupt
Erstveröffentlichung in kunst:art 103