
Bravouröse Zeichenkunst
Die Reaktion des Publikums wie der Kritik in der BRD war selten so gespalten, was Kunst aus dem anderen Deutschland betraf: Der Auftritt Werner Tübkes 1972 auf der repräsentativen Dresdner „Kunstausstellung der DDR“ polarisierte. Die einen sahen sich bestätigt in ihrer pauschalen Ablehnung figürlicher Malerei schlechthin als totalitärer Staatskunst, die anderen waren begeistert, dass hier jemand, fast als ob es keine Moderne gegeben hätte, an die Bildtradition der alten Meister anknüpfte. Eine der gewichtigsten Stimmen in diesem positiven Sinne war die des damaligen Kunstkritikers der FAZ, Eduard Beaucamp.
Die Kunst der Renaissance, des Manierismus, durchzogen von einer Prise Surrealismus, das alles kombinierte Tübke (1929–2004) auf der Basis einer ausgepicht souveränen Zeichenkunst zu einer höchst eigenwilligen Position. Die war zwar heftig umstritten (nicht zuletzt auch in der DDR), trug aber doch entscheidend dazu bei, die Malerei aus Leipzig zu einem quasi Markenartikel zu machen. Beaucamp würdigte damals den „großen Unzeitgemäßen“ nicht nur professionell, sondern wurde, zusammen mit Ehefrau Barbara, zum Freund und Sammler. 2024 nun übergab das Paar 46 Aquarelle und Zeichnungen in Grafit, Feder und Kreide aus Tübkes meisterlicher Hand an das Frankfurter Städel Museum, das die Schenkung heute in einer Ausstellung vorstellt. Wie formulierte es der Künstler doch gern? „Zeichnen ist besonderes Bedürfnis, alles andere kommt danach“.
Werner Tübke. Metamorphosen
2.7. – 28.9.2025
Städel Museum
Schaumainkai 63
D-60596 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-605098200
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 16-18 €, erm. 14-16 €
www.staedelmuseum.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Städel Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 104