Die Nolde-Stiftung Seebüll widmet sich den Wanderjahren

Nolde Stiftung Seebüll | bis zum 30.11.2018

von Dieter Begemann //

Eine baumbestandene Allee liegt vor unseren Augen: Ihre staubige Oberfläche wird in regelmäßigen Abständen von den Schatten der Stämme gequert. Man spürt, dass der Weg ein langer und vielleicht auch ziemlich mühsamer sein wird, der, am Gehöft rechts vorbei, zu den Höhenzügen in der Ferne führen wird. Das Gemälde entstand 1898, ist also eigentlich nicht unbedingt ein Frühwerk: Immerhin war Emil Nolde damals schon 31 Jahre alt. Der 1867 in kleinen Verhältnissen geborene Nolde (eigentlich hieß er Hansen, der Künstlername ehrt den Geburtsort in Nordschleswig) ist jedoch nicht auf dem direkten Wege zur Künstlerlaufbahn gekommen. Über eine Lehre als Schnitzer bei einer Möbelfabrik in Flensburg gelangte er zunächst Ende der 1880er Jahre nach München. Er bekam darauf, nach einer Station in Berlin, im schweizerischen St. Gallen eine Anstellung als Zeichenlehrer. Doch der gelernte Kunsthandwerker hatte anderes im Sinn. Der überraschende Erfolg mit einigen humoristischen Postkarten ebnete den Weg – in die Kunst nämlich.

Die 62. Jahresausstellung der Nolde-Stiftung im schleswig-holsteinischen Seebüll hat sich genau diese Wanderjahre, wie der Titel etwas romantisch formuliert, vorgenommen. „Die Technik, das Handwerk der Malerei zu erlernen“, das hatte sich der angehende Künstler nun vorgenommen, der sich, um schon äußerlich ein Zeichen des neuen Lebensabschnitts zu setzen, seinen Künstlernamen Nolde (er-)findet. Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts war von einer Vielzahl moderner künstlerischer Kräfte geprägt, von denen als besonders markant herausragten die Künstlervereinigung Brücke in Dresden und der Blaue Reiter im Münchner Raum. Gemeinsamer Nenner all dieser innovativen Künstler ist das, was man etwas emphatisch Befreiung der Farbe nennen könnte. Das prägt Nolde ganz entscheidend, zumal da er mit zahlreichen Mitgliedern dieser einflussreichen Gruppen persönliche Bekanntschaft schließen kann. Sein eigener künstlerischer Weg geht entsprechend weg vom ursprünglichen tonigen Realismus hin zu einem vornehmlich atmosphärisch interessierten Impressionismus. Von dort aus aber gelangt Nolde zu einer überaus freien Verwendung der Farbe, die nun gar nichts mehr mit der Lokalfarbigkeit des Sujets zu tun hat. Einem gegenständlich konkreten Sujet aber, sei es menschliche Figur oder Landschaft, bleibt Nolde treu; die reine Abstraktion, wie sie beispielsweise Kandinsky und Jawlensky aus dem Münchner Kreis propagieren, ist seine Sache nicht.

Mit über 150 Exponaten zeigt die Ausstellung in Noldes Heim der späten Jahre (bis zum Tod 1956) seine spezifische Ausprägung des Expressionismus. Vieles davon ist weithin unbekannt, sicher aber bekannt sind die Namen der gleichfalls gezeigten Künstler aus Noldes privater Sammlung: Als Inspiration und Zeichen künstlerischer Anerkennung besaß Nolde im eigenen Lebensumfeld eine eindrucksvolle Sammlung von Kollegen: Da finden sich u.a. Marc, Heckel, Schmidt-Rottluff, Jawlensky, Klee und Pechstein.

62. Jahresausstellung 2018
Emil Nolde Wanderjahre. Die Entdeckung der Farbe
bis zum 30.11.2018
Nolde Stiftung Seebüll
Seebüll 31
D-25927 Neukirchen
Tel.: +49-4664-983930
Mo – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 3 €
www.nolde-stiftung.de

 

Text: Dieter Begemann | Bild: Nolde Stiftung Seebüll
Erstveröffentlichung: kunst:art 63

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!