Themenausstellung im Franz Marc Museum

14.7. – 6.10.2024 I Franz Marc Museum

Franz Marc, Getötetes Reh, 1913

Bambi im Wandel

Was ist das Reh? Alle, die jetzt „scheu“ assoziiert haben, dürften in einem europäisch-westlichen Kontext sozialisiert sein. Denn hier gilt dieses Tier, das nicht mit gefährlichen Zähnen oder sonstigen Waffen ausgerüstet ist und dessen Blick aus großen Augen eher ein Kindchenschema bedient, als ausgesprochen harmlos. Das macht das Reh verletzlich, es ist in dramatischen Situationen oft in der Rolle des Opfers, höchstens des Entkommenden, kaum jener des Siegers. Dabei ist es ein durchgehend als sympathisch wahrgenommenes Tier. Anders als die meisten anderen Tiernamen eignet sich „Reh“ nicht als Schimpfwort.

Diese spezielle Kombination macht es als Motiv für die Kunst interessant und so konnotiert findet es seinen Platz im Werk von Franz Marc. Seine „Rothen Rehe“ bilden im Franz-Marc-Museum den Ausgangspunkt einer Motivgeschichte, die spätestens im Mittelalter beginnt, die hier aber vor allem über das vergangene Jahrhundert verfolgt wird. Denn selbst das harmlose Reh scheint in den Umbrüchen und Ungeheuerlichkeiten des 20. Jahrhunderts seine Unschuld verloren zu haben. So ist es vom Attribut einer friedvollen Heimat als Sehnsuchtsort über die Zeit des Zweiten Weltkrieges zu einem Symbol des Opfers bei Joseph Beuys bis zu einem Merkmal einer Heimat als klaustrophobischem Ort bedrückender Enge bei Sigmar Polke geworden. Dabei halten sich die Kunstschaffenden nicht immer ganz präzise an das Motiv, das etwa bei Beuys auch mal ein Hirsch sein kann. Spannend ist diese Entwicklung einer Bedeutung dadurch aber um nichts weniger.

Franz Marc. Das Reh fühlt
14.7. – 6.10.2024
Franz Marc Museum
Franz Marc Park 8-10
D-82431 Kochel am See
Tel.: +49-8851-924880
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 9,50 €, erm. 6 €
www.franz-marc-museum.de

Text: Christian Hofmann
Bild: Franz Marc Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 98