Große Kunst oder schwieriger Künstler?
Das Bank Austria Kunstforum widmet dem französischen Maler Paul Gauguin ab Anfang Oktober eine große Retrospektive mit mehr als achtzig hochkarätigen Leihgaben aus zahlreichen internationalen Museen und privaten Sammlungen. Als einer der einflussreichsten Künstler des 19. Jahrhunderts hat Gauguin die Epoche des Postimpressionismus maßgeblich beeinflusst und insbesondere mit seinen Darstellungen von Landschaften der Südsee nicht nur nachfolgende Künstler und Künstlerinnen inspiriert, sondern auch unsere Vorstellung von der Beschaffenheit der pazifischen Inseln und ihrer Bewohner bis in die heutige Zeit geprägt.
Der Schwerpunkt der Ausstellung „Gauguin: Unexpected“ liegt jedoch in den Anfängen seines Schaffens und umfasst Malerei, Grafik und Skulptur. Ein Großteil der gezeigten Arbeiten entstand noch vor Gauguins Reisen in die Südsee und zeigt weniger bekannte Werke mit bretonischer Natur und bäuerlicher Lebenswelt, Darstellungen seiner Kinder oder Bilder mit religiösem Inhalt.
Erste Bekanntschaft mit der Kunst machte Gauguin in jungen Jahren bei seinem Vormund Gustave Arosa, der eine beachtliche Kunstsammlung mit Werken von Camille Corot, Gustave Courbet und Eugène Delacroix besaß, die Arosa zunehmend mit Arbeiten der damals aufkommenden Impressionisten bestückte.
Der Autodidakt Gauguin ließ sich von der Malweise der Impressionisten inspirieren, jedoch unterschieden sich seine Gemälde von denen seiner Vorbilder durch einen weniger feinen Pinselstrich und flächig aufgetragene, gedeckte Farben, was den Bildern eine gewisse Schwere verleiht. Kontakte zu angesagten Künstlern wie Camille Pissaro und Edgar Degas verhalfen ihm zur Teilnahme an der 4. Impressionisten-Ausstellung, auf der er seine Arbeiten erstmalig einer breiteren Öffentlichkeit präsentierte.
Mit seinen Gemälden von paradiesischen Landschaften und freizügig gekleideten indigenen Frauen traf Gauguin im ausgehenden 19. Jahrhunderts den Zeitgeist, was den Verkauf seiner Bilder ankurbelte. Die Kolonien waren „en vogue“, das brutale Vorgehen der Kolonialherren fand jedoch keine Erwähnung, ebenso wenig Gauguins Art und Weise zu leben, seine pädophilen Beziehungen zu sehr jungen Mädchen, die er schwängerte und als traurige Bildmotive benutzte.
Wie präsentiert ein Museum in der heutigen Zeit einen Künstler, dessen Ausstellungen von Debatten über Kolonialismus, Sexismus und Pädophilie begleitet werden? Im Bank Austria Kunstforum wird über das schwierige Thema ausführlich informiert und auf einer Podiumsdiskussion fachkundig argumentiert. Der Verein „Human Rights and Art“ lädt die Besucher zu Workshops ein. So kann sich jeder ein eigenes Urteil bilden.
Gauguin: Unexpected
3.10.2024 – 19.1.2025
Bank Austria Kunstforum
Freyung 8
A-1010 Wien
Tel.: +43-1-5373326
Täglich 10 – 19 Uhr, Fr 10 – 21 Uhr
Eintritt: 14 €, erm. 7 – 10 €
www.kunstforumwien.at
Text: Karin Gerwens
Bild: Bank Austria Kunstforum
Erstveröffentlichung in kunst:art 99