Ostafrikanische Kunst in der Kunststation Kleinsassen

T. wa Thuku, My heart talks, 2011

Haba Na Haba Hujaza Kibaba

„Innovation kommt von der Peripherie“, sagt der österreichische Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Manfred Wagner. Getreu diesem Motto präsentiert die Kunststation Kleinsassen seit über vierzig Jahren immer wieder innovative Ausstellungen, die man in den großen Metropolen nicht zu sehen bekommt. Die Direktorin Monika Ebertowski und die Kuratorin Dr. Elisabeth Heil haben Kunst unter anderem aus Äthiopien, Japan oder Aserbaidschan nach Kleinsassen gebracht, als Gegenpol zu ihrem starken Engagement für regionale Künstler und Künstlerinnen. Die Kunst aus anderen Kontinenten zu erkunden, ermöglicht neue Einblicke in die Kunst der Heimat. Die Ausstellung „Contemporary Kenya – Grenzräume – Zwischen Moderne und Tradition“ ist in Zusammenarbeit mit Prof. Alexandra Lukaszewicz, Leiterin der EAAE (East African Art Endeavor) Galerie in Szczecin (Stettin), entstanden. Präsentiert werden Gemälde und Grafiken aus einem Querschnitt kenianischer Kunst. Eine etablierte Künstlerin wie Tabitha wa Thuku (* 1963, im Jahr der Unabhängigkeit Kenias), eine der ersten Künstlerinnen ihrer Generation, ist mit ihren Gemälden in gedämpften Farben und wirbelnden Pinselstrichen vertreten. Auch neue Künstler, die noch nie in Europa ausgestellt wurden, sind Teil der Ausstellung.

Obwohl die EAAE Galerie einen karitativen Aspekt hat, geht es hier nicht um Wohltätigkeit. Diese Ausstellung wird gezeigt, weil die Direktorin von der lebendigen und pulsierenden Kunstszene überzeugt ist, die in den letzten Jahrzehnten in Kenia entstanden ist. Sie weist darauf hin, dass es in Kenia möglich ist, Kunst und Design auf demselben Universitätsniveau zu studieren wie im Westen, und dass die kenianische Präsentation auf der umstrittenen documenta 15 (2022) einer der unumstrittenen Höhepunkte war. In der Ausstellung „Contemporary Kenya“ sind Werke einer Vertreterin einer neuen, weltoffenen Künstlergeneration zu sehen: die preisgekrönte Malerin Anne Mwiti, die in Polen in Malerei promovierte und Dozentin am Fachbereich für Bildende Kunst und Design an der Kenyatta University in Nairobi ist. Sie sagt über ihre Arbeit: „Meine Kunst basiert auf zeitgenössischen afrikanischen Lebensstilen, Ideologien, Orten und Beziehungen“. Ein weiterer Künstler der Ausstellung, Dennis Muraguri, fertigt geistreiche Holzschnitte an, die „Matatu“ (kenianische Minibusse und Transporter, das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel) zeigen. In diesen Werken benutzt er die Kunst, um die urbane Kultur des heutigen Nairobi zu betrachten. In seinen Skulpturen arbeitet Muraguri mit recyceltem Holz und Metall, um die Industrialisierung in Kenia zu kommentieren.

Direktorin Monika Ebertowski ist seit Jahren von Afrika fasziniert, lebte und arbeitete in Ostafrika. Sie möchte, dass diese Ausstellung Teil eines Dialogs ist, der es Europäern ermöglicht, Afrika mit anderen Augen und auf andere Weise zu sehen, als dies in den Medien vermittelt wird. Entwicklungsregionen der Welt verfügen nicht über die wirtschaftlichen Vorteile des Westens, aber das bedeutet nicht, dass sie auf dem Kunstmarkt nicht tragfähig und, so könnte man sagen, „unserer Aufmerksamkeit würdig“ sind. Die kenianische Kultur schöpft ihren Wert aus der Tradition, die darauf wartet, wiederentdeckt zu werden, und die sich gleichzeitig gegenwärtig neu definiert und dies in einer technologisch schnelllebigen Dynamik, deren Folgen noch nicht absehbar sind. Ein Blick auf die kenianische Kunst gibt uns vielleicht ein paar Hinweise darauf, in welche Richtung sich ihre Gesellschaft und möglicherweise auch unsere eigene entwickelt. Die erste Amtssprache in Kenia ist Swahili (die zweite Amtssprache ist Englisch). Das Swahili-Sprichwort „Haba Na Haba Hujaza Kibaba“ bedeutet „Nach und nach füllt sich das Maß“. Vielleicht kann ein friedliches Verständnis und eine Wertschätzung aller Kulturen tatsächlich erreicht werden, eine Ausstellung nach der anderen.

Die internationale Kunstberaterin Dr. Renée Gadsden hat zuletzt die Gründung einer Universität für
Kunst in Saudi-Arabien begutachtet.

Contemporary Kenya. Grenzräume. Zwischen Moderne und Tradition
15.12.2024 – Februar/März 2025
Kunststation Kleinsassen
An der Milseburg 2
D-36145 Hofbieber-Kleinsassen
Tel.: +49-6657-8002
Do – So 13 – 17 Uhr
www.kunststation-kleinsassen.de

Text: Dr. Renée Gadsden
Bild: Kunststation Kleinsassen
Erstveröffentlichung in kunst:art 101