
Nicht nur Samt und Seide
Das Goldene Zeitalter von Amsterdam begann in dem Augenblick, als man beschloss, durch einen Damm vor dem Eingang in die Stadt dafür zu sorgen, dass sich das Süßwasser sich nicht mehr mit dem Salzwasser mischte. Durch den Damm wurde im Laufe von 250 Jahren aus einem Fischerdorf eine große Handelsmetropole. Zwischen 1600 und 1662 wuchs die Bevölkerung von 40.000 auf 210.000 Bewohner. Die Gründung der Ostindischen Compagnie VOC leitete 1602 – dank einer imposanten Handelsflotte im Amsterdamer Hafen – den ökonomischen Aufschwung der Stadt ein, die sich erfolgreich gegen die spanische Übermacht behaupten konnte. Außerdem hatte die Stadt Handelskontakte zu 625 Häfen in der ganzen Welt und avancierte dadurch zur drittgrößten Stadt Europas. Dies war auch ein Grund für den Zuzug vieler Emigranten aus ganz Europa, bald ein Drittel der Bevölkerung, wovon das größte Kontingent aus Deutschland kam. 1613 war der Amsterdamer Hafen der größte der Welt.
Konsequent war daher die Rückkehr von Rembrandt aus Leiden nach Amsterdam, wo er 1624 ein sechsmonatiges Studium bei Pieter Lastman, dem wichtigsten Historienmaler seiner Zeit, absolviert hatte. 1632 zog er erneut nach Amsterdam, wo er die Akademie von Van Uylenburgh leitete und malerische Erfolge feierte. Er heiratete hier Van Uylenburghs Nichte Saskia und kaufte ein großes Haus in der Sint-Anthonisbreestraat, das er bis Mitte der 1650er-Jahre abbezahlen musste. Saskia, die ihm so oft Modell saß, starb nach längerer Krankheit 1642, in dem Jahr, als Rembrandt seine „Nachtwache“ malte.
Im Unterschied zur Ausstellung „Nennt mich Rembrandt“, die 2021 mit der National Gallery of Canada aus Ottawa im Städel präsentiert wurde und neben vielen berühmten Bildern auch Rembrandts zahlreiche grafische Blätter präsentierte, widmet sich die jetzige Ausstellung der ganzen gesellschaftlichen Bandbreite von Arm und Reich in Amsterdam. Bei Rembrandts Gruppenporträts handelt es sich meist um Auftragsarbeiten, so auch jenes der sechs Vorsteher des Almosenhauses, die darüber entscheiden, welcher der erkrankten Bewohner von Amsterdam auf Kosten des Almosenhauses behandelt wird oder in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht werden kann.
Ein herausragendes Bild der aktuellen Schau ist „Die Blendung von Samson“ von 1636. Zu sehen ist auch jenes Fragment seiner „Anatomievorlesung des Dr. Jan Deijman“, das man nach einem Brand im frühen 18. Jahrhundert retten konnte. Andere Bilder verschiedener in Amsterdam ansässiger Künstler zeigen Porträts der Vorsteher verschiedener wohltätiger Organisationen, die einem sozialen Impetus folgten, um Menschen in Not zu helfen, oder sie dokumentieren die Aktivitäten von sozialen Diensten.
Es ist also ein Blick auf die gesellschaftlichen Aufgaben verschiedener Organisationen, die das Funktionieren einer mittelalterlichen Stadt zeigen. Rembrandts Rolle war da – dank der hohen Wertschätzung, die er bei der Amsterdamer Aristokratie genoss – nicht unbedeutend. Doch seine ganz großen Meisterbilder lassen sich nur selten ausleihen.
Dr. Milan Chlumsky promovierte an der Pariser Sorbonne über Ästhetik und den tschechischen Poetismus.
Städel Museum
Rembrandts Amsterdam. Goldene Zeiten?
bis zum 23.3.2025
Schaumainkai 63
D-60596 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-605098200
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 18 €, erm. 16 €
www.staedelmuseum.de
Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Städel Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 101