Inspiration aus Mystik
In kriseligen Zeitläuften wird für mögliche Antworten gerne in die Tiefe gebohrt: Das war im frühen 17.
Jahrhundert so, in der Zeit der Romantik und auch nach dem Ersten Weltkrieg. In allen Fällen hatte man
es mit grundstürzenden gesellschaftlichen, sozialen und mentalen Veränderungen zu tun, zu denen man
sich verhalten musste. Ein beredtes Beispiel ist der Jakob-Böhme-Bund, der sich 1920 nach dem
Zusammenbruch des Wilhelminischen Kaiserreichs in Görlitz zusammenfand. Die Wahl des
Namenspatrons war dabei alles andere als zufällig: Zum einen natürlich, weil der große Mystiker Böhme
(1575–1624) in der Stadt an der Neiße geboren wurde, vor allem aber auch, weil seine tiefgründigen
(und dunklen) Schriften gleichfalls zur Zeit einer großen Verunsicherung entstanden waren.
So konnte Böhme (ja schon vom Oberromantiker-Vordenker Novalis hoch geschätzt) dem Kreis um den
Maler und Schriftsteller Joseph Anton Schneiderfranken (1876–1943) als Vordenker bei der Entwicklung
einer neuen Kunst dienen. Diese suchte einen originellen Weg zwischen moderner Formsprache und
mystisch geprägter Geistigkeit. In die innovative Sakralkunst des Kreises mit ihrer Vermischung freier
und angewandter Gestaltung – gerade wie beim ja gleichzeitigen Weimarer Bauhaus – spielten Ideen
der seinerzeit schwer beliebten Theosophie hinein. Aus Anlass der bereits 1924 erfolgten Auflösung des
Bundes widmet „Den Suchenden“ nun das kulturhistorische Museum Görlitz eine Ausstellung in der
historischen Festung Kaisertrutz.
Die Suchenden. Die Kunst des Jakob-Böhme-Bundes
bis zum 17.11.2024
Görlitzer Sammlungen
Kaisertrutz
Platz des 17. Juni 1
D-02826 Görlitz
Tel.: +49-3581-671355
Di – Do 10 – 17 Uhr, Fr – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 4 €
www.goerlitzer-sammlungen.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Görlitzer Sammlungen
Erstveröffentlichung in kunst:art 98