Museen als Begegnungsstätten – Für eine menschliche Architektur
Den Architekten Fumihiko Maki (1928–2024) als Giganten seines Fachs zu bezeichnen, dürfte keine Übertreibung sein. 1993 wurde er für sein beeindruckendes Lebenswerk mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet. Zur Verleihung des renommierten Architektur-Preises an ihn hieß es, Maki „nutzt Licht auf meisterliche Art, sodass es als Teil jeden Designs genauso greifbar wird wie die Wände und das Dach“. Eine weitere Begründung der Jury passt hervorragend zu seinem letzten Projekt, dem Wiesbadener Museum Reinhard Ernst, dessen offizielle Eröffnung er nicht mehr erlebte. Maki wolle Begegnungsstätten für Menschen schaffen, den Geist eines Ortes bewahren und das Gebäude in den Dienst seines Zweckes stellen. Makis weltweit realisierte Museumsgebäude feiern in erster Linie nicht den Architekten, sondern die darin ausgestellte Kunst. Dieses Kunststück ist Maki auch in Wiesbaden gelungen. Für das mre hat sich Maki intensiv mit der Sammlung Reinhard Ernst beschäftigt sowie die Umgebung und den städtischen Kulturraum erkundet. „Zur Stadt passend und gleichzeitig etwas völlig Eigenes. Schlicht und gleichzeitig mit raffinierter Raumgestaltung. Behaglich und gleichzeitig kompromisslos modern“. Der Stararchitekt und der erfolgreiche Unternehmer und Sammler Reinhard Ernst formulierten einige Ziele, die letztlich auch umgesetzt wurden. Das erzählt der Museumsneubau, der auch als ein Ort zum Leben von Gemeinschaft konzipiert ist und mit einem gläsernen Atrium überrascht.
Das wird aber auch in der Sonderausstellung „Fumihiko Maki – Maki and Associates: Für eine menschliche Architektur / Towards Humane Architecture“ dokumentiert. Anhand der Entstehungsgeschichte und der Besonderheiten des mre und anderer Gebäude werden die baukünstlerische Sprache und die architektonischen Prinzipien Makis veranschaulicht. Kultur, Bildung und Gemeinschaft beschreiben dabei die ethischen und gesellschaftlichen Leitgedanken, die Fumihiko Maki und Reinhard Ernst verbanden. Von Anfang an wollte Fumihiko Maki von den Besten lernen. Mit 20 Jahren beginnt er sein Studium an der Universität in Tokio unter Kenzo Tange. Kurz darauf geht er als einer von sehr wenigen japanischen Architekten seiner Generation in die USA. 1965 gründet er sein Büro in Tokio. Dort entsteht ab 1969 sein bekanntestes Frühwerk: der Hillside Terrace Apartments Complex. In seiner Architektur kombiniert Maki die kompromisslose westliche Moderne mit japanischen Elementen und mit Inspirationen aus der Region. Er strebt nicht nach perfekten Kompositionen im Sinne einer reinen Lehre. Seine Gebäude sind eher Collagen aus verschiedenen Fragmenten. Mit der Beteiligung am Wiederaufbau von Ground Zero in New York krönt er sein Lebenswerk: Das 298 Meter hohe Hochhaus 4WTC mit seiner spiegelnden Fassade wird einer der neuen Stars in Manhattan. Weiterhin werden Museumsbauten vorgestellt, zu denen das Aga Khan Museum in Toronto (Fertigstellung 2014), das Yerba Buena Center for the Arts in Kalifornien (1993) und das National Museum of Modern Art Kyoto (1986) gehören. Das mre fügt sich als zehnter Museumsbau in diese hochkarätige Reihe ein.
Stefan Simon hat Kunstgeschichte und klassische Archäologie studiert und arbeitet als freier Autor und Kurator.
Fumihiko Maki und Maki & Associates. Für eine menschliche Architektur
bis zum 9.2.2025
Museum Reinhard Ernst
Wilhelmstr. 1
D-65185 Wiesbaden
Tel.: +49-611-76388880
Di – So 12 – 18 Uhr, Mi 12 – 21 Uhr
Eintritt: 14 €, erm. 12 €
www.museum-re.de
Text: Stefan Simon
Bild: Museum Reinhard Ernst
Erstveröffentlichung in kunst:art 99