
Braunschweig: Die Herrschenden vor Gericht
Dass Könige, Fürsten, Päpste der Vergangenheit sich heutzutage nicht unbedingt qualifizieren könnten als lupenreine Demokraten und allzeit milde Menschenfreunde, gut, das haben wir alle irgendwie geahnt. Das Braunschweiger Herzog Anton Ulrich Museum aber schaut jetzt ganz genau hin: In seinem Besitze befindet sich nämlich, neben historischen Bildnissen aus der Malerei, eine in ihrer Art einzigartige Sammlung sogenannter illuminierter Porträts. Das waren, im späten 16. und vor allem dann im 17. Jahrhundert, in der Regel relativ kleinformatige Darstellungen auf Papier, gezeichnet oder als Auflage gedruckt und anschließend per Aquarell farbig angelegt: eben illuminiert. Die Dargestellten waren große Namen aus der europäischen Geschichte, berühmte Persönlichkeiten aus Renaissance und Barock: Herren und Herrscher, weltliche und geistliche, zuweilen auch bedeutende Künstler und Autoren. Mithilfe dieser Bilder konnte man damals im eigenen Wohnumfeld eine ganze Ruhmesgalerie um sich scharen: ein ähnlicher Impetus im Privatbereich wie später die regierungsamtlichen Ruhmeshallen des 19. Jahrhunderts für die Öffentlichkeit, etwa die Walhalla bei Regensburg.
Zu den eifrigen Sammlern von der derlei illuminierten Porträts gehörte Laurens van Hem, seines Zeichens Anwalt, dessen etwa hundert Blätter zählende Kollektion aus Amsterdam den Weg ins Braunschweiger Museum fand: Die derzeitige Ausstellung zeigt etwa dreißig von ihnen. Bildungsbewusstsein und geschichtliches Interesse verbinden sich in diesem frühen, ja, man könnte sagen: Massenmedium. Aber was heißt hier Geschichte und große Persönlichkeit? Die Dargestellten erweisen sich als zuweilen recht finstere Gesellen, die sich keinen Deut um heutige Moralbegriffe scheren. Da haben wir beispielsweise den Papst Sixtus V., der in seiner Regierungszeit 1585–90 nicht nur die glorreichen Obelisken in Rom (wieder) aufrichtete, sondern auch Ehebruch und Homosexualität unter schwere Strafe stellte: Exkommunikation und Tod. Oder auch ganz schlimm: Ludwig XIV., König von Frankreich, der, alles andere als sonnig, die Duldung der Hugenotten aufhob und dann noch gleich halb Europa mit Eroberungskriegen überzog.
Der Beispiele sind viele, alle aber machen deutlich, dass sich damalige und heutige Rechts- und Moralvorstellungen schwer zur Deckung bringen lassen. Wir Heutige können uns da natürlich gegenseitig auf die kollektive Schulter klopfen, dass wir so viel besser sind. Oder aber selbstkritisch fragen, wieso eigentlich verbrecherisches Personal – die Braunschweiger sprechen im Titel von einem „True Crime Cast“, den sie da in ihren farbenfrohen Porträts versammelt haben – auch in der allseits beliebten TV-Unterhaltungswelt solch leidenschaftliche Anteilnahme findet. Hauspatron Herzog Anton Ulrich, nebenamtlich ja ein fleißiger Lyriker, würde vielleicht zu seinem „Christlich-Fürstlichen Davids-Harpfenspiel“ greifen und sich leise schmunzelnd seinen Teil denken …
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True Crime Cast. Macht und Gewalt im Portrait
11.4. – 24.8.2025
Herzog Anton Ulrich Museum
Museumstr. 1
D-38100 Braunschweig
Tel.: +49-531-12252424
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 7 €
www.3landesmuseen-braunschweig.de