Hans Ticha im Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg

12.4. – 8.9.2025 | Museum Lyonel Feininger

Hans Ticha, Schlager, 2022

Dynamisch gerundeter Widerstand

Über zehn Jahre musste er sie in der DDR geheim halten – die Serie seiner „politischen“ Bilder: 1979 hatte der damals 39-jährige, in Ostberlin ansässige Künstler, Grafiker und Illustrator Hans Ticha damit begonnen, seine markante und öffentlich präsente Formensprache in staatskritische Zusammenhänge zu übertragen. Um nicht aufzufliegen, „versteckte“ er die Arbeiten in einem großen, labyrinthartigen Hinterhof-Atelier am Prenzlauer Berg, indem er sie unauffällig mit der gestalteten Fläche an die Wand lehnte.

Einige dieser Werke sind jetzt in der Ausstellung „HANS T!CHA I Kugel·Kegel·Körperkult“ zu sehen, mit der das Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg den 85. Geburtstag des Künstlers feiert – und damit auch eine bewegte Vita: 1940 im heutigen Tschechien geboren und im Alter von fünf Jahren mit Mutter und Schwester zwangsumgesiedelt, verbrachte Ticha seine Kindheit in Schkeuditz bei Leipzig. 1965 schrieb er sich an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst Berlin-Weissensee ein und machte sich nach seinem Abschluss 1970 mit zahlreichen Illustrationen für Werke von Brecht, Morgenstern und Tucholsky sowie mit Druckgrafik und Plakaten im öffentlichen Raum einen Namen. Schon damals schrammte er immer mal wieder knapp an der Zensur vorbei.

Denn in seine Arbeiten ließ der Künstler Impulse einfließen, die vom DDR-Regime alles andere als gern gesehen waren. Zwar hatte man in den 60er-Jahren das Bauhaus rehabilitiert – Ticha ist ein großer Fan von Oskar Schlemmer –, doch auf Vertreter der französischen Moderne wie Fernand Léger sowie Meister der Pop Art wie Roy Lichtenstein oder Tom Wesselmann war man nicht gut zu sprechen. Glücklicherweise aber konnte der Maler von oft nur in Publikationen zugänglichen Positionen lernen und seinen Stil daraus entwickeln. Auch weil er vordergründig eine Prise sozialistischen Realismus mit einstreute.

Ein mutiger Mix, der bis heute die Bildwelt des Künstlers prägt, der nach der Wende zunächst in Mainz und 1993 dann in Maintal bei Frankfurt am Main ansässig wurde. Eine Bildwelt – mit üppig gerundeten Figuren, die, geometrisch verknappt oder zerlegt, oft von einer sportlich-dynamischen oder mechanischen Ästhetik durchdrungen sind oder gleich als spielerische Mensch-Maschinen-Hybride daherkommen, meist in metallisch schillernden Grautönen und saftigen Primärfarben.

Aus der bemerkenswerten Synthese von klarer Setzung und ironischer Brechung, farbenfroher Oberfläche und pointiertem, durch Titel transportiertem Hintersinn generiert Ticha immer wieder neue Ideen und gilt daher auch als einer der wichtigsten deutschsprachigen Buchillustratoren.

In der Jubiläumsausstellung werden Werke aus mehreren Jahrzehnten thematisch präsentiert. Dazu erscheint ein reich bebilderter Katalog, in dem unter anderem ein aktuelles, äußerst lesenswertes Interview mit dem Künstler enthalten ist.

Dr. Julia Behrens hat über Künstlerateliers promoviert.

Hans T!cha. Kugel Kegel Körperkult
12.4. – 8.9.2025
Museum Lyonel Feininger
Schlossberg 11
D-06484 Quedlinburg
Tel.: +49-3946-68959380
Mo + Mi – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 6 €
www.museum-feininger.de

Text: Dr. Julia Behrens
Bild: Museum Lyonel Feininger
Erstveröffentlichung in kunst:art 103